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23.08.2023 | PERSONAL, AUSBILDUNG & RECHT

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich mit den Regelungen zum Verfall von Urlaubsansprüchen beschäftigt. In einem aktuellen Urteil behandelte das Gericht die Frage, wann die Fristen für einen Anspruch auf Abgeltung von bezahltem Mindesturlaub enden. Welche weiteren Vorgaben beim Verfall von Urlaubsanspruch gelten und was bei (Langzeit-)Krankheit, Elternzeit oder gemäß TVöD zu beachten ist, zeigt dieser Fachbeitrag.

Verfall Urlaubsanspruch 1 Forum Verlag Herkert

Der Verfall von Urlaubsanspruch ist in Deutschland einheitlich geregelt – oder? Denn Ausnahmeregelungen gibt es einige, z. B. bei langer Krankheit oder für Beschäftigte in Elternzeit. (Bild: © studio v-zwoelf – stock.adobe.com)

Inhaltsverzeichnis

  1. Verfall Urlaubsanspruch: Aktuelles Urteile von EuGH und BAG
  2. Gesetzliche Grundlagen zum Verfall von Urlaubsanspruch
  3. Verfall Urlaubsanspruch wegen Krankheit
  4. Verfall Urlaubsanspruch nach Elternzeit
  5. Verfall Urlaubsanspruch: Schwerbehinderung
  6. Verfall Urlaubsanspruch im öffentlichen Dienst

Verfall Urlaubsanspruch: Aktuelle Urteile von EuGH und BAG

Sowohl der Europäische Gerichtshof (EuGH) als auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) behandeln regelmäßig Klagen rund um den Verfall von Urlaubsansprüchen. Hier eine Übersicht mit einigen relevanten Urteilen:

Gericht Aktenzeichen Datum Thema Urteil
BAG 9 AZR 107/20 31.01.2023 Verfall von Urlaubsansprüchen
  • Die 15-monatige Verfallfrist kann ausnahmsweise auch dann beginnen, wenn die Arbeitsunfähigkeit von Beschäftigten so früh im Urlaubsjahr eintritt, dass Arbeitgebende ihrer urlaubsrechtlichen Mitwirkungspflichten nicht (rechtzeitig) erfüllen konnten.
  • Die Hinweispflicht von Arbeitgebenden beginnt bereits am 01.01. des jeweiligen Jahres.
BAG 9 AZR 456/20 31.01.2023 Abgeltung von Urlaubsanspruch
  • Ein Anspruch auf Abgeltung bezahlten Mindesturlaubs unterliegt den Vorgaben aus § 194 BGB.
  • Die dreijährige Verjährungsfrist für Abgeltungsansprüche beginnt mit Ende des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis aufgelöst wurde.
    ⇒ Das gilt laut BAG unabhängig davon, ob das Unternehmen vorher seine Mitwirkungspflichten bei der Gewährung des Urlaubs erfüllt hat.
BAG 9 AZR 266/20 20.12.2022 Verjährung von Urlaubsansprüchen
  • Der Anspruch von Beschäftigten auf den gesetzlichen Mindesturlaub unterliegt gem. § 194 Abs. 1 BGB der Verjährung.
  • Die dreijährige Verjährungsfrist für vierwöchigen Mindesturlaub beginnt erst, nachdem Arbeitgebende ihre Mitwirkungspflichten erfüllt haben.
BAG 9 AZR 623/10 18.09.2012 Gesetzlicher Urlaubsanspruch bei dauerhafter Krankheit
  • Der Urlaubsanspruch verfällt erst 15 Monate nach Ende des Jahres, in dem die Arbeitsunfähigkeit begann.
EuGH C-619/16 und C-684/16 06.11.2018 Automatischer Verfall von Resturlaub
  • Resturlaub darf nicht einfach verfallen, wenn er nicht rechtzeitig genommen wird.
  • Arbeitgebende müssen ihre Beschäftigten rechtzeitig vorab über den Verfall informieren und ihnen die Möglichkeit bieten, den Urlaub zu nutzen. Außerdem müssen sie deutlich machen, dass der Urlaub verfällt, wenn er nicht fristgerecht eingereicht wird.
    ⇒ Erst dann erlischt ein Anspruch auf Urlaub oder Ausgleichszahlungen für den Fall, dass Urlaub nicht genommen wurde.
EuGH C-569/16 und C-570/16 06.11.2018 Urlaub vererben
  • Erbende einer bzw. eines verstorbenen Beschäftigten können vom Unternehmen eine Ausgleichszahlung für nicht genommenen Urlaub einfordern.

 

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Verfall Urlaubsanspruch: Gesetzliche Grundlagen

Alle Arbeitnehmenden in Deutschland haben Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub (§ 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG)). Allerdings verfällt grundsätzlich jeglicher nicht genutzte Urlaub mit Ende des Kalenderjahres bzw., wenn er nicht während des Übertragungszeitraums genommen wurde. Daher müssen Beschäftigte ihren Urlaub rechtzeitig beantragen, um alle Urlaubstage nutzen zu können, die ihnen zustehen.

Bei der Urlaubsplanung haben Unternehmen die individuellen Wünsche ihrer Belegschaft zu berücksichtigen. Diese Regelung greift nicht, wenn dringliche betriebliche Gründe dagegensprechen oder bereits andere Beschäftigte für den gleichen Zeitraum Urlaub beantragt haben, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen (§ 7 Abs. 1 BUrlG).

Hinweispflichten für Arbeitgebende

Für Arbeitgebende gelten bestimmte Hinweispflichten zum Verfall von Urlaubsansprüchen. So müssen sie ihre Beschäftigten rechtzeitig im aktuellen Urlaubsjahr über die Verfallsfristen informieren – idealerweise schriftlich (für eine bessere Nachweisbarkeit). In diesem Schreiben sollte genau aufgelistet sein, wie viele Urlaubstage den Beschäftigten noch zur Verfügung stehen und bis wann sie diese nehmen sollen.

Zwar gibt es keinen konkreten Zeitpunkt, bis wann Unternehmen ihre Belegschaft aufklären müssen. Dies sollte jedoch immer so früh wie möglich geschehen, damit die Beschäftigten genug Zeit haben, ihre Urlaubstage zu planen. Daher empfiehlt sich z. B. eine Frist bis Ende der ersten Jahreshälfte.

Urlaub auszahlen lassen

Laut Bundesurlaubsgesetz haben Beschäftigte keinen generellen Anspruch auf Auszahlung noch nicht genommener Urlaubstage. Eine solche Abgeltung ist unter den Voraussetzungen möglich, dass der Urlaubsanspruch entstanden ist, der Urlaub nicht bereits verfallen ist und dass er ohne die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfüllbar gewesen sein muss. Letzteres ist z. B. der Fall, wenn das Arbeitsverhältnis in absehbarer Zeit endet – z. B. durch eine Kündigung – und der bzw. die Beschäftigte dadurch nicht mehr alle restlichen Urlaubstage verbrauchen kann.

Diese Auszahlungspflicht für Arbeitgebende gilt auch bei fristlosen Kündigungen. Im Gegenzug sind Beschäftigte dazu verpflichtet, ihren Urlaub immer zu nehmen, sobald dies möglich ist. Sie können demnach nicht frei zwischen Auszahlung und Urlaub wählen.

Besteht kein laufender Anspruch auf Urlaub, verfallen jegliche Ansprüche auf Auszahlung der restlichen Urlaubstage. Nach einem BAG-Urteil vom 19.02.2019 (Az.: 9 ARZ 541/15) verfallen Urlaubsansprüche allerdings nur dann automatisch, wenn vorher tatsächlich die Möglichkeit bestand, den bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Ein weiteres BAG-Urteil vom 31.01.2023 (Az. 9 AZR 456/20) stellt klar, dass der Anspruch auf Abgeltung bezahlten Mindesturlaubs der dreijährigen Verjährungsfrist unterliegt. Diese Frist beginnt mit Ende des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis rechtlich beendet wurde.

Zusätzlich können Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen längere Fristen zum Verfall des Auszahlungsanspruchs von Urlaub definieren. 

Wann kann Urlaubsanspruch verfallen?

Grundsätzlich verfällt Urlaub immer dann, wenn er nicht bis Ende des Kalenderjahres genutzt wird. In Ausnahmefällen dürfen Beschäftigte einen gewissen Resturlaub mit in das neue Jahr nehmen. Dieser ist bis zum 31.03. des Folgejahres zu nutzen. Andernfalls verfällt auch dieser Urlaubsanspruch.

Resturlaub ist z. B. möglich, wenn der Urlaub im auslaufenden Kalenderjahr aus dringenden betrieblichen Gründen nicht genommen werden konnte. Ebenso lässt sich bei Gründen, die in der Person der jeweiligen Arbeitnehmenden liegen, ggf. ein Resturlaub auf das Folgejahr übertragen. Darüber hinaus können Unternehmen noch weitere Gründe definieren, bei denen eine Übertragung des Resturlaubs möglich ist.

Bei Krankheit oder ähnlichen Sonderfällen gelten allerdings weitere Vorgaben zum Verfall des Urlaubsanspruchs.

Verfall Urlaubsanspruch wegen Krankheit

Sind Beschäftigte so lange krank bzw. arbeitsunfähig, dass ihr ursprünglicher Urlaubsanspruch verfallen würde, müssen Arbeitgebende einige Sonderrechte beachten, durch die die Angestellten ihren Urlaub auch nach Auslauf der vorgegebenen Fristen nutzen dürfen. Ebenso greifen besondere Vorschriften, wenn Beschäftigte kurz vor oder während des Urlaubs erkranken.

Langzeitkrank

Als „langzeitkrank“ zählen alle Angestellten, die innerhalb von drei Jahren für 78 Wochen Krankengeld bezogen haben. Solange die Arbeitsunfähigkeit anhält, dürfen Arbeitgebende keinen Urlaub erteilen. Dieser darf erst vergeben werden, wenn die Krankschreibung des bzw. der Beschäftigten endet.

Wie das BAG in einem Urteil vom 07.08.2012 (Az. 9 AZR 353/10) entschied, gilt die Verfallsfrist für Resturlaub am 31.03. nicht für Arbeitnehmende, die bis zum Ende des ursprünglichen Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraums langzeitig erkrankt sind. Stattdessen verfällt ihr Urlaubsanspruch erst 15 Monate nach dem Urlaubsjahr, indem sie noch arbeiten konnten, also zum 31.03. des übernächsten Jahres. Selbiges gilt für Urlaubsansprüche bei Erwerbsminderungsrente.

Kommen Arbeitgebende nicht ihrer Aufforderungs- und Hinweispflicht nach, die Beschäftigten über den drohenden Verfall des Urlaubsanspruchs zu informieren, verlängert sich die 15-monatige Frist zum Verfall des Urlaubsanspruchs. Sie beginnt erst am Ende des Jahres, in dem die Belehrung über den Verfall stattfand. Das belegen zwei BAG-Urteile vom 20.12.2022 (Az. 9 AZR 245/19Az. 9 AZR 266/20). Bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses beginnt die Verjährungsfrist regulär zum Jahresende des Ausscheidens, so das Gericht.

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⇒ Was Unternehmen gegen häufige oder lange Krankheiten in ihrer Belegschaft tun können, zeigt das Online-Seminar „Sicherer Umgang mit Fehlzeiten von Arbeitnehmenden“. Wie die anschließende Wiedereingliederung nach langer Krankheit erfolgreich verläuft, erläutert das Online-Seminar „Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)“. 

Kurzfristige Krankheit

Bei Erkrankungen vor oder während des Urlaubs dürfen Unternehmen die Tage, in denen der bzw. die Beschäftigte arbeitsunfähig war, nicht als Urlaub werten. Im Gegenzug sind die übrigen Urlaubstage in gegenseitiger Absprache neu zu vergeben. 

Je nach Zeitpunkt und Rahmenbedingungen der Erkrankung haben Arbeitnehmende wie Arbeitgebende unterschiedliche Vorgaben zu beachten.

Beginn der Krankheit Regelungen zum Verfall von Urlaubsanspruch
vor Urlaubsbeginn
  • Anfangs reicht eine Mitteilung an den Arbeitgebenden. Ab dem vierten Tag ist eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erforderlich.
  • Der bzw. die Erkrankte muss den geplanten Urlaub nicht antreten. Stattdessen wird er nach der Genesung neu festgelegt.
während des Urlaubs (Genesung vor Ende des Urlaubs)
  • Es ist vom ersten Tag an ein ärztliches Attest notwendig, damit der Urlaub nicht verfällt.
  • Arbeitgebende können nicht verlangen, dass die Beschäftigten ihren Urlaub im Anschluss an die Genesung bis zum ursprünglich geplanten Ende fortsetzen. Vielmehr muss der Urlaub, der nach der Genesung bereits definiert wurde, erneut bestimmt werden.
    ⇒ Im gegenseitigen Einverständnis dürfen beide Parteien trotzdem festlegen, dass der Urlaub direkt nach der Genesung weitergeführt wird. 

 

Weitere Sonderfälle hinsichtlich des Verfalls von Urlaubsansprüchen gibt es bei Elternzeit, Schwerbehinderten und gemäß TVöD.

Verfall Urlaubsanspruch nach Elternzeit

Für jeden vollen Monat Elternzeit dürfen Arbeitgebende die erlaubten Urlaubstage um ein Zwölftel kürzen. Ist eine Person z. B. für sechs Monate in Elternzeit, hat sie für das restliche Jahr nur noch 50 % der ursprünglichen Urlaubstage zur Verfügung. Endet oder beginnt die Elternzeit in der Mitte eines Monats, darf der Jahresurlaub für diesen Monat nicht anteilig gekürzt werden.

Möglicher Resturlaub verfällt hingegen nicht mit der Elternzeit. Das gilt auch für eine weitere verlängerte bzw. zweite Elternzeit, etwa bei der Geburt eines weiteren Kindes. Endet das Arbeitsverhältnis während oder mit Ende der Elternzeit, bekommen die Beschäftigten den verbleibenden Resturlaub ausgezahlt.

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⇒ Noch mehr Informationen zu den arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen in der Elternzeit enthält die „Dokumentenmappe Mutterschutz und Elternzeit“. Sie bietet Arbeitgebenden fertige Vorlagen und Musterschreiben, die den aktuellen gesetzlichen Vorgaben entsprechen.

Verfall Urlaubsanspruch: Schwerbehinderung

Schwerbehinderte erhalten bei einer 5-Tage-Woche mindestens fünf Tage Zusatzurlaub pro Kalenderjahr (§ 208 SGB IX). Konnten sie ihren Urlaub aufgrund von Krankheit nicht nehmen, gilt ebenfalls für Beschäftigte mit Schwerbehinderung die 15-monatige Frist zum Verfall ihres Urlaubsanspruchs. Überdies müssen bei einer Kündigung die übrigen Urlaubstage abgegolten werden, wenn der Zusatzurlaub nicht gewährt werden konnte, weil der bzw. die Mitarbeitende arbeitsunfähig war.

Hinweis: Auch bei der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen müssen Arbeitgebende ihrer Hinweispflicht bzgl. des Verfalls der Urlaubsansprüche nachkommen.

Verfall Urlaubsanspruch im öffentlichen Dienst

Angestellte im öffentlichen Dienst müssen ihren Urlaub in dem Jahr nutzen, in dem er entsteht. Möglicher Resturlaub kann bis zum 31.03. des Folgejahres mitgenommen werden. Wichtig ist, dass der Urlaub spätestens am 31.03. beginnt (§ 26 Abs. 2 TVöD). In Ausnahmefällen lässt sich die Frist bis zum 31.05. verlängern. Hierfür müssen dringende dienstliche bzw. betriebliche Gründe vorliegen oder die beschäftigte Person kann den Urlaub wegen Krankheit bis zum 31.03. nicht antreten.

Gleichzeitig greift auch im öffentlichen Dienst die 15-monatige Frist zum Verfall von Urlaubsansprüchen.

Quellen: VORSCHRIFTENMONITOR, Bundesarbeitsgericht (BAG), anwalt.de, Kanzlei Hensche, Techniker Krankenkasse, Familienportal

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