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24.04.2023 | EINKAUF & VERTRIEB

Der operative Einkauf stirbt aus – das sagen zumindest viele Unternehmen laut einer Vorstudie des Fraunhofer Instituts zur Digitalisierung im Einkauf. Und tatsächlich können viele Prozesse im Einkauf 4.0 immer weiter vereinfacht werden. Damit rückt der strategische Einkauf stärker in den Vordergrund. Aber wie gelingt diese Umsetzung der Digitalisierung im Einkauf? Welche Bereiche lassen sich digitalisieren und welche Chancen oder Risiken sollten Unternehmen beim Einkauf 4.0 berücksichtigen?

Einkauf 4 0 Forum Verlag Herkert

Digitalisierung, KI und Co. verändern die Arbeitswelt im Einkauf – das birgt sowohl Risiken als auch Chancen für Unternehmen. (Bild: © Kannapat – stock.adobe.com)

Inhaltsverzeichnis

  1. Was bedeutet „Einkauf 4.0“? – Definition
  2. Warum Einkauf digitalisieren? – Chancen und Risiken
  3. Was kann man im Einkauf digitalisieren? – Beispiele und Lösungen
  4. Einkauf 4.0: Weiterbildung für Unternehmen

Was bedeutet „Einkauf 4.0“? – Definition

Der Begriff „Einkauf 4.0“ beschreibt den Einfluss der Digitalisierung und anderer aktueller Entwicklungen auf den Einkauf. Hierzu gehören Themen wie Big Data, also das Verarbeiten großer Datenmengen, aber auch Aspekte der Autonomisierung, der Individualisierung und des Datenschutzes. Der Passus „4.0“ steht für den Digitalisierungsaspekt und kommt aus der vierten industriellen Revolution (Industrie 4.0). In dieser vierten Phase werden Prozesse zunehmend autonom und digital gestaltet, sodass sich dieser Punkt auch auf andere Bereiche – wie den Einkauf – übertragen lässt.

Im Vordergrund des Einkaufs 4.0 stehen die Digitalisierung sowie Vernetzung der bisherigen Geschäfts- und Fertigungsprozesse. Ebenso ist das Entwickeln und Implementieren neuer Beschaffungskonzepte ein wesentlicher Erfolgsfaktor des Einkaufs 4.0. Hinzu kommt der Einsatz neuer Technologien wie Software oder anderer elektronischer Programme. Hierbei ist das sog. E-Procurement (elektrische Beschaffung) wesentlicher Bestandteil des Einkaufs 4.0. Aber auch das Hinterfragen und Optimieren im Bereich Beschaffungsmanagement und Einkaufscontrolling sollte zur eigenen Digitalisierung im Einkauf gehören.

Nicht zuletzt müssen die gesetzlichen Vorgaben im Rahmen der Compliance und des Einkaufsrechts beachtet werden. Während Compliance die Regeltreue eines Betriebs meint, enthält das Einkaufsrecht spezielle Regelungen für den Einkauf bzw. die Beschaffung von Gütern. Häufige Themen im Einkaufsrecht sind z. B. der Umgang mit mangelhaften Waren, Lieferverzügen oder verloren gegangen Frachten.

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Einkauf 4.0: Ziele

Mit einer zeitgemäßen Einkaufsstrategie wie im Einkauf 4.0 lassen sich unterschiedliche Ziele erreichen, die die Arbeitsweise von Unternehmen optimieren. Zu den wichtigsten Zielen für Betriebe gehören:

  • Verbesserte Datenqualität und schnellere Verfügbarkeit
  • Vereinfachte Kommunikation (auf vertikaler Ebene (unterschiedliche Branchen und Wertschöpfungsebenen der Beteiligten) und horizontaler Ebene (gleiche Branche und gleiche Wertschöpfungsebene)
  • Erhöhte Transparenz in der Supply Chain/Lieferkette
  • Schnellere Reaktion auf Veränderungen am Markt (z. B. neue Innovationen)
  • Strategischere Positionierung des Einkaufs im Unternehmen
  • Effizientere Arbeitsweise und einfachere Personalplanung
  • Attraktivere Einkaufspreise erzielen

Diese Fülle an Zielen und Aufgaben im Einkauf 4.0 stellt zwar einige Unternehmen vor neue Herausforderungen, kann aber als Chance dienen, um am Markt wettbewerbsfähig zu bleiben und interne Prozesse zu optimieren.

Warum Einkauf digitalisieren? – Chancen und Risiken

Wie so viele Bereiche sorgt die Digitalisierung auch im Einkauf für einen Wandel. So müssen Beschäftigte im Einkauf neben ihren grundlegenden Qualifikationen ebenfalls in Bereichen wie Produktentwicklung und Datenanalyse umfangreichere Fachkenntnisse aufbauen. Sie koordinieren und beraten immer mehr und handeln Verträge mit Zuliefernden aus.

Zudem besitzt der Einkauf oftmals die meisten Schnittstellen zu anderen Abteilungen innerhalb und außerhalb des Unternehmens. Auch hierbei kann das Vernetzen und Automatisieren von Prozessen im Rahmen des Einkaufs 4.0 helfen. Allerdings kommt dadurch mehr Verantwortung auf die Fachkräfte im Einkauf zu.

Daher ist eine vollumfängliche Vorbereitung und Ausarbeitung von Strategien unerlässlich, um sich optimal auf den Ausbau des Einkaufs 4.0 einzustellen. Hierzu gehört u. a. das Abwägen der möglichen Vor- und Nachteile für das Unternehmen.

Vorteile von Einkauf 4.0 Nachteile von Einkauf 4.0
Betriebsinterne Einkaufsprozesse lassen sich digital schneller erfassen, abbilden und automatisieren (z. B. der operative Einkauf). Dadurch sinkt der Arbeitsaufwand für die Beschäftigten. Die Anforderungen an Beschäftigte im strategischen Einkauf steigen. Sie müssen umfangreichere Qualifikationen aufweisen, um mit den neuen Technologien im Einkauf 4.0 umzugehen – etwa durch entsprechende Weiterbildungen.
Durch die zeitgemäße Arbeitsweise steigen die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und neue Geschäftspotenziale können ermittelt werden. Das Unternehmen muss umfassendere Vorgaben zum Datenschutz einhalten und die Beschäftigten entsprechend unterweisen.
Betriebe können sich über digitale Kanäle enger mit Geschäftspartner/-innen entlang der Lieferkette vernetzen. Digitale Technologien ersetzen nicht den persönlichen Kontakt zu Lieferant/-innen und Kund/-innen. Dieser muss weiterhin gepflegt werden.

 

Weitere Einblicke in die Chancen und Risiken im Einkauf 4.0 untersuchte das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML zusammen mit dem Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME). Es veröffentlichte 2016 eine Vorstudie zur Digitalisierung im Einkauf, bei der herauskam: Die Ansichten der Branche zum Einkauf 4.0 gehen teilweise weit auseinander. Zwar sind die meisten generell positiv gegenüber der Digitalisierung im Einkauf eingestellt, allerdings sehen manche darin eher eine Unterstützung für Betriebe als einen aktiven Treiber von strategischer Bedeutung.

Dennoch ist eine erfolgreiche Weiterentwicklung hin zum Einkauf 4.0 nicht nur von der Einkaufsabteilung selbst abhängig. Insbesondere die Geschäftsführung bzw. das Management muss den digitalen Wandel im Unternehmen vorantreiben. Der Einkauf trägt hierbei eine wichtige Mitverantwortung, ist jedoch auf die Unterstützung von Seiten der Geschäftsleitung angewiesen.

Insgesamt gibt es viele Potenziale, um die Chancen der Digitalisierung im Einkauf zu nutzen.

Was kann man im Einkauf digitalisieren? – Beispiele und Lösungen

Der Einkauf 4.0 bietet Unternehmen viele Möglichkeiten, ihren Einkauf zu digitalisieren. So kann z. B. eine Vielzahl von Daten elektronisch zusammengeführt und vereinfacht werden, die im täglichen Einkaufsgeschäft vorkommen. Außerdem können Künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning (ML) mithilfe von Algorithmen Muster in den vorhandenen Einkaufsdaten selbstständig ermitteln, strukturieren und analysieren.

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Zu den wichtigsten Daten bzw. Verwendungszwecken, die sich im Einkauf 4.0 digitalisieren lassen, gehören:

  • Kontrolle der aktuellen Rohstoff-/Einkaufspreise
  • Preis- und Datenabweichungen im Artikelstamm
  • ERP und Zahlungsgenauigkeit hinsichtlich Doppelzahlungen
  • Kontrolle und Einhaltung von Bestellfristen
  • Minimieren von Lieferrisiken und Lieferantenausfällen
  • Vergabe-Entscheidungen bei Ausschreibungen
  • Trendanalysen bei Preisen
  • Budgetabgleich und Kontrolle
  • Erfassen von Benchmarks
  • Betrugsanalysen bei möglichen Korruptionsverdächtigen

Sie alle können beispielsweise in entsprechenden E-Procurement-Systemen eingepflegt werden. Hierfür gibt es bereits unterschiedliche Modelle am Markt. Betriebe können v. a. zwischen zwei Arten wählen:

  • Fertige Lieferantenlösungen (komplette Hard- und Software wird einsatzfertig zur Verfügung gestellt)
    ⇒ Kaufen oder leasen/mieten?
  • Buy-Side-Lösungen (eigens entwickeltes System)

Während die fertigen Systeme schneller einsatzbereit sind und meist einen eingebauten Servicedienst beinhalten, können Unternehmen bei eigens angefertigten Lösungen ihre individuellen Einkaufsstrukturen einbauen. Allerdings ist hierfür ein entsprechendes Fachwissen erforderlich, ebenso müssen die Betriebe selbst dafür sorgen, dass sie ihr System regelmäßig auf den aktuellen Stand der Technik bringen. Daher sollte anfangs immer der eigene Bedarf des Unternehmens ermittelt und abgesteckt werden, bevor es sich für ein E-Procurement-System entscheidet.

Einkauf 4.0: Weiterbildung für Unternehmen

Insbesondere der strategische Einkauf wird sich durch die Digitalisierung immer stärker wandeln. Das erfordert von den Beschäftigten im Einkauf ein immer umfangreicheres Qualifikationsprofil. Dieses Fachwissen können sie sich z. B. durch entsprechende Fort- und Weiterbildungen aneignen, um den aktuellen Herausforderungen im Einkauf gerecht zu werden.

 

Augsburg, 20.04.2023
Online-Redaktion AKADEMIE HERKERT

Quellen: Fachzeitschrift „EK-Experte aktuell“ (Ausgabe November 2018), Fraunhofer Institut

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