Das Finanzgericht Münster hatte in seinem Urteil vom 10.07.2019 zu entscheiden, ob für Fahrzeuge gebildete Investitionsabzugsbeträge nach § 7g EStG rückgängig zu machen sind.
Hier stellte sich die Frage, ob die betriebliche Nutzung eines Pkw durch nachträglich erstellte Unterlagen nachgewiesen werden kann oder nicht.
Zum Urteil
Der als Rechtsanwalt tätige Kläger, der Einkünfte aus selbstständiger Arbeit erzielte, bildete in den Streitjahren 2009, 2011 und 2013 Investitionsabzugsbeträge nach § 7g Abs. 1 EStG für die geplante Anschaffung von Pkw.
Tatsächlich schaffte er im September 2011 und im Oktober 2016 (innerhalb der Reinvestitionsfristen) jeweils gebrauchte Audi Q5 an (der Kilometerstand beim Kauf betrug beim ersten Fahrzeug 12.870 km, beim zweiten 26.600 km), die er dem Betriebsvermögen zuordnete.
Im Rahmen einer für 2012–2014 durchgeführten Betriebsprüfung stellte der Prüfer zunächst fest, dass der im Jahr 2011 angeschaffte Q5 auch privat genutzt wurde, dafür aber noch keine Entnahme angesetzt worden sei. Der private Nutzungsanteil sei mangels Führung eines Fahrtenbuchs nach der 1%-Methode zu berechnen. Auch seien die in den Jahren 2009 und 2013 gebildeten Investitionsabzugsbeträge sowie die in 2013 vorgenommene Sonderabschreibung rückgängig zu machen, da für beide Fahrzeuge die 1%-Regelung angewendet werde.
Nachdem der Beklagte den Prüfungsfeststellungen folgte und am 08.06.2017 für die Streitjahre geänderte Einkommensteuerbescheide erließ, legte der Kläger Einsprüche ein und begründete dies damit, dass der Investitionsabzugsbetrag unabhängig von der Frage zu gewähren sei, ob für die Privatnutzung die 1%-Regel anzuwenden sei. Denn die fast ausschließliche betriebliche Nutzung könne auch durch andere Unterlagen nachgewiesen werden. Der Kläger reichte zum Nachweis der betrieblichen Fahrten für die Zeiträume ab Anschaffung der Fahrzeuge bis zum Schluss des jeweiligen Folgejahrs Aufstellungen seiner betrieblichen Fahrten ein, die eine Mitarbeiterin anhand der Terminkalender nachträglich erstellt und beim Betriebsprüfer eingereicht hatte.
Die gesamten Laufleistungen der Fahrzeuge errechnete der Kläger anhand von Händler- bzw. Werkstattrechnungen und einem Foto des Tachostands, wonach sich rechnerisch betriebliche Anteile von (knapp) über 90 % ergaben. Zudem standen dem Kläger für Privatfahrten weitere Fahrzeuge zur Verfügung.
Laut dem Beklagten sei bei Anwendung der 1%-Regelung grds. von einem schädlichen Nutzungsumfang auszugehen. Nach der Lebenserfahrung betrage in diesem Fall die Privatnutzung ca. 20 %. Der Gegenbeweis könne nur durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch erbracht werden. Trotz der vorliegenden Aufstellungen für sämtliche Zeiträume wären damit die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nicht erfüllt.
Hintergrund
Eine fast ausschließliche betriebliche Nutzung erfordert bei einem Fahrzeug eine Nutzung für betriebliche Fahrten zu mind. 90 % (BFH, Beschluss vom 26.11.2009, Az. VIII B 190/09). Für den Nachweis der ausschließlichen oder fast ausschließlichen betrieblichen Nutzung enthalten § 7g Abs. 4 Satz 1 und Abs. 6 Nr. 2 EStG keine Vorgaben.
Laut BFH wird sich bei einem Pkw der Umfang der privaten bzw. betrieblichen Nutzung aus tatsächlichen Gründen im Regelfall durch das Führen und die Vorlage eines Fahrtenbuchs nachweisen lassen (Beschluss vom 03.01.2006, Az. XI B 106/05). Zwar ließ der BFH in dieser Entscheidung offen, auf welche andere Weise als durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch die tatsächliche Pkw-Nutzung nachgewiesen werden kann; er wies aber ausdrücklich darauf hin, dass es jeglicher Lebenserfahrung widerspräche, wenn ein Steuerpflichtiger die 1%-Regelung für ein Fahrzeug in Anspruch nehme, das er ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich nutze. Vierlmehr sei davon auszugehen, dass ein Durchschnittswert i. H. v. 1 % des abgerundeten Bruttolistenpreises in etwa einem Anteil der Privatnutzung von 20 bis 25 % entspreche. Damit sei für die finanzgerichtliche Rechtsprechung ein nicht ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nicht als Nachweis anzuerkennen (FG Düsseldorf, Beschluss vom 04.01.2011, Az. 12 V 3841/10 A (E); FG München, Urteil vom 15.12.2014, Az. 7 K 2748/13; Sächsisches FG, Urteil vom 28.07.2016, Az. 8 K 1799/15; FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 12.06.2013, Az. 2 K 1191/12, NZB Az. X B 219/13 als unzulässig verworfen).
Ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch ist zeitnah und in geschlossener Form zu führen und muss die zu erfassenden Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstands vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergeben (BFH, Urteil vom 09.11.2005, Az. VI R 27/05). Eine mithilfe eines Computerprogramms erzeugte Datei genügt diesen Anforderungen nicht (BFH, Urteil vom 16.11.2005, Az. VI R 64/04).
Zur Begründung
Die Richter des FG Münster wiesen die Klage mit der Begründung ab, dass der Rechtsanwalt eine fast ausschließlich betriebliche Nutzung der Fahrzeuge nicht nachgewiesen hat. Die eingereichten Aufstellungen genügten nicht den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch.
Selbst wenn man der Auffassung folge, dass sich dieser Nachweis auch durch andere Unterlagen erbringen lassen würde, sei dieser nicht gelungen. Der Kläger habe bereits die Gesamtfahrleistungen für die maßgeblichen Zeiträume nicht nachgewiesen. Angesichts der nach seinen eigenen Berechnungen nur geringfügigen Unterschreitung der 10%-Grenze seien strenge Maßstäbe an den Nachweis anzulegen.
Aus den eingereichten Auflistungen ergebe sich nicht zwingend der Umfang der betrieblichen Fahrten des Rechtsanwalts. Mit der nachträglichen Erstellung auf Grundlage des Terminkalenders durch seine Mitarbeiterin sei nicht sichergestellt, dass der Kläger für alle im Kalender enthaltenen Termine auf den jeweils fraglichen Audi Q5, ein anderes Fahrzeug oder auf öffentliche Verkehrsmittel zurückgegriffen hat.
Schließlich könne der Umstand, dass weitere Fahrzeuge für Privatfahrten zur Verfügung gestanden haben, nur den für die Privatnutzung eines Fahrzeugs bestehenden Anscheinsbeweis erschüttern, aber nicht einen Nachweis für den Umfang betrieblicher Fahrten ersetzen.
Nach der Rechtsprechung ist der Beweis des ersten Anscheins, der für eine Privatnutzung betrieblicher Pkw spricht, entkräftet, wenn für Privatfahrten andere Fahrzeuge zur Verfügung stehen, die mit dem betrieblichen Fahrzeug in Status und Gebrauchswert vergleichbar sind (BFH, Urteil vom 04.12.2012, Az. VIII R 42/09). Im Streitfall geht es nicht um die Erschütterung des Anscheinsbeweises: Zum einen räumen die Kläger auch eine gewisse Privatnutzung der beiden Audi Q5 ein, zum anderen sind an den Nachweis des Anteils der betrieblichen Nutzung höhere Anforderungen zu stellen als an die Erschütterung eines Anscheinsbeweises, die gerade nicht den vollen Beweis des Gegenteils bedarf. Darüber hinaus sind die anderen zur Verfügung stehenden Fahrzeuge nicht in Status und Gebrauchswert mit den betrieblichen Fahrzeugen vergleichbar (BMW Z4: Sportwagen mit zwei Sitzen, der für größere Einkäufe oder längere Urlaubsfahrten ungeeignet ist; Wohnmobil: typischerweise für Urlaubsfahrten eingesetzt und nicht für kürzere Besorgungsfahrten). Ob die beiden nacheinander genutzten BMW mit den Audi Q5 in Status und Gebrauchswert vergleichbar sind, kann dahinstehen, denn diese Fahrzeuge konnte jeweils nur einer der beiden Kläger gleichzeitig nutzen. Für die Erschütterung des Anscheinsbeweises muss für jeden Haushaltsangehörigen, der im Besitz einer Fahrerlaubnis ist, ein in Status und Gebrauchswert vergleichbares Fahrzeug vorhanden sein (vgl. FG Münster, Urteil vom 21.06.2017, Az. 7 K 3919/14 E).
Aus denselben Gründen ist auch die nach § 7g Abs. 5 EStG im Streitjahr 2013 vorgenommene Sonderabschreibung zu versagen.
Das heißt: Die für Zwecke des § 7g EStG erforderliche fast ausschließliche betriebliche Nutzung eines Pkw lässt sich nicht durch nachträglich erstellte Unterlagen nachweisen.
Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung wurde die Revision beim BFH zugelassen (Az. VIII R 24/19). Es ist höchstrichterlich bislang nicht geklärt, ob und auf welche andere Weise als durch das Führen eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs eine ausschließliche oder fast ausschließliche betriebliche Nutzung eines Fahrzeugs für Zwecke des § 7g EStG nachgewiesen werden kann.