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10.01.2023 | GESUNDHEIT & PFLEGE

Die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) erarbeitet auf der Grundlage von § 23 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) Empfehlungen zur nosokomialen Infektionsprävention. Nun wurde die KRINKO Empfehlung zur Flächenhygiene nach 18 Jahren aktualisiert – Anlass hat nicht zuletzt die Covid-19-Pandemie geliefert. Wie sind die Neuerungen der KRINKO zu verstehen und was müssen Krankenhausbetreiber und Pflegedienstleister fortan beachten?

KRINKO Flächendesinfektion1 Forum Verlag Herkert GmbH

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Inhaltsverzeichnis

  1. Wann muss eine Flächendesinfektion durchgeführt werden?
  2. Was ist bei der KRINKO Empfehlung zur Flächendesinfektion zu beachten?
  3. Unterteilung von Räumen und Flächen in Risikobereiche
  4. Die Wahl des "richtigen" Flächendesinfektionsmittels
  5. Fazit – Wie kann die KRINKO Empfehlung Flächendesinfektion in der Praxis qualitativ umgesetzt werden?

Wann muss eine Flächendesinfektion durchgeführt werden?

Da die Überlebensfähigkeit unterschiedlicher Erreger stark variiert (teils mehrere Monate), gilt es, Arbeits-, Bewegungs-, Nutz- und „Wohnflächen“ in Krankenhäusern und stationären Pflegeeinrichtungen anhand einer einrichtungsspezifischen Risikobeurteilung einzuschätzen und entsprechende Hygieneschutzkonzepte und -maßnahmen auszuarbeiten. 

→ Für die Weiterverbreitung von Mikroorgansimen und Viren ist deren Widerstandsfähigkeit (Tenazität) ausschlaggebend. Die Infektionslast hingegen ist verantwortlich für das Erkrankungsrisiko.

Inwiefern eine Flächenreinigung oder Flächendesinfektion durchgeführt werden sollte, hängt grundsätzlich von folgendem Fragenkatalog ab:

  • Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit für eine mikrobielle Kontamination?
  • Welches Potenzial zur Freisetzung von Krankheitserregern besteht?
  • Wie hoch ist die Infektionswahrscheinlichkeit für Personal oder Patient/in? (Abhängig von Kolonisation, Infektionsverdacht oder konkreter Infektion)
  • Welche Infektanfälligkeit liegt bei dem/der Patienten/in vor?
  • Wie notwendig ist eine pathogenfreie Umgebung? (geplante aseptische Tätigkeit)
  • Handelt es sich um patientennahe oder patientenferne Flächen? (Patientenferne Flächen sind nicht grundsätzlich als Kontaminationsquelle ausgeschlossen)

Entscheidend für das Maßnahmenpaket ist auch, inwiefern die fraglichen Flächen mit Haut, Schleimhaut oder Wunden in Kontakt kommen. Gleichzeitig stellt auch der Verunreinigungsgrad bestimmte Anforderungen an die Flächenhygiene. So treten beispielsweise Mikroben vermehrt in der patientennahen Umgebung auf, was Desinfektionsmaßnahmen derartiger Flächen notwendig macht.  

Was ist bei der KRINKO Empfehlung zur Flächendesinfektion zu beachten?

Grundsätzlich legt die KRINKO in ihrer Empfehlung zur Flächendesinfektion sechs unterschiedliche Hygienemaßnahmen vor:

  1. Flächenreinigung
  2. Desinfektion
  3. Desinfektionsverfahren im Rahmen der Basishygiene
  4. Desinfizierende Flächenreinigung
  5. Gezielte Flächendesinfektion 
  6. Schlussdesinfektion

Flächenreinigung 

Zur rudimentären mechanischen Entfernung von Verunreinigungen wird nach wie vor die wiederkehrende Flächenreinigung eingesetzt. Dabei wird Wasser mit reinigungsverstärkenden Zusätzen verwendet. Das Problem bei dieser Art der Flächenreinigung ist aber, dass etwaige Mikroorganismen zwar entfernt, aber nicht abgetötet oder inaktiviert werden. Jedoch handelt es sich in Fällen mit starker Verunreinigung hierbei meist nur um eine Vorstufe zur desinfizierenden Reinigung oder Flächendesinfektion (mechanisch + chemische Reinigung). 

Desinfektion

Das Ziel einer Desinfektion ist es, die Bakterien- und Virenlast oder den Pilzbefall auf ein unbedenkliches Maß zu reduzieren. Das wird durch die Abtötung oder Inaktivierung der Erreger erreicht. Bei letzterer werden z. B. die Virushülle oder die Andockungs-Glykoproteine durch Ethanol-Lösungen zerstört (denaturiert).

Desinfektionsverfahren im Rahmen der Basishygiene

Alle Hygienemaßnahmen und Desinfektionsverfahren, die unter Basishygiene laufen, sind Bestandteil fast aller KRINKO Empfehlungen. Hierbei ist das angestrebte Schutzziel die Vermeidung einer Flächenkontamination (z. B. bei antiseptischen Tätigkeiten). Bei dieser Art der wiederkehrenden Desinfektionsmaßnahmen ist laut KRINKO Empfehlung zur Flächendesinfektion eine vorherige mechanische Flächenreinigung grundsätzlich nicht notwendig

Desinfizierende Flächenreinigung

Hierbei handelt es sich um eine situative Vorgehensweise, die dann angewendet werden kann, wenn während der Behandlung und Pflege ein vermeintliches Infektionsrisiko von bestimmten Oberflächen ausgeht. 

Gezielte Flächendesinfektion

Laut KRINKO Empfehlung zur Flächendesinfektion wird bei einer gezielten Flächendesinfektion einer oder mehrere Erreger fokussiert bekämpft. Das kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn eine Verunreinigung und/oder ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht. Im Gegensatz zu einigen der vorangehend angesprochenen Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen bedarf die gezielte Flächendesinfektion einer vorangehenden mechanischen Flächenreinigung, um vollends wirksam zu sein.

Schlussdesinfektion

Wie der Name bereits vermuten lässt, handelt es sich hierbei um eine zusätzliche Desinfektion nach bereits vollzogenen Reinigungsmaßnahmen (1–5). Das kann vor allem dann notwendig sein, wenn eine Kontamination mit speziellen Erregern stattgefunden hat. Aber auch bei längeren stationären Patientenaufenthalten wird bei der hygienischen Nachbereitung der Räumlichkeiten auch von einer sog. Schlussdesinfektion gesprochen.

Auch oder ganz besonders im Bereich der Pflege gelten hohe Anforderungen an den Schutz pflegebedürftiger Menschen. Meist fehlt den Pflegerinnen und Pflegern im anspruchsvollen und stressigen Alltag aber schlicht die Zeit, sich umfassend über neue und umfassende Hygienekonzepte zu informieren.

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Informieren Sie sich in kürzester Zeit über aktuelle Vorgaben im Hygienerecht mit dem 22-minütigen E-Learning „Hygiene und Infektionsschutz: Schutzmaßnahmen in der Pflege“. Es vermittelt alle Inhalte der TRBA 250 komprimiert und leicht verständlich.

Unterteilung von Räumen und Flächen in Risikobereiche

Damit im Normal- und Zweifelsfall unkompliziert und schnell vorgegangen werden kann, empfiehlt die KRINKO, die Flächendesinfektion stärker im Hygieneplan auszuarbeiten. Das heißt nicht nur, dass Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen situationsspezifisch festgelegt, sondern Räume und Flächen gleichzeitig in Risikobereiche unterteilt werden (Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 10/2022, S. 1083 Tab. 2).

→ Ein großer Vorteil dabei soll eine Standardisierung der Flächenhygiene sein.

Bereiche ohne erhöhtes Infektionsrisiko Bereiche mit möglichem Infektionsrisiko
Treppenhäuser, Flure, Verwaltung,
Büros, Speiseräume, Hörsäle, Unterrichtsräume,
technische Bereiche, Wartezimmer
Allgemeinstationen, Ambulanzbereiche,
Radiologie, Physikalische Therapie, Sanitärbereiche,
Dialyse, Kreißsaal, Funktionsdiagnostik, Psychiatrie, Eingriffsräume,
Rettungsdienst- und Patiententransportfahrzeuge, Wartezimmer
 Alle Flächen: 
  • Reinigung

Häufig berührte bzw. patientennahe Flächen/Barfußbereiche:

  • desinfizierende
    Flächenreinigung/Flächendesinfektion
  • Fußböden und selten berührte Flächen:
    Reinigung
Bereiche mit erhöhtem Infektionsrisiko Reine Arbeitsbereiche

OP-Einheiten sowie Einheiten für:

  • Intensivtherapie/Intermediate Care (IMC)
  • Schwerstbrand-Verletzte
  • Transplantation (z. B. Knochenmark,
    Stammzellen)
  • Hämato-Onkologie (z. B. aggressive Chemotherapie)
  • Neonatologische Intensivstation 
    (neonatal intensive care unit; NICU)
Reine Arbeitsräume/-flächen, reine Bereiche von Funktionseinheiten, z. B. AEMP, Wäscherei, 
Herstellungsbereich in Apotheken, 
transfusions-medizinische Einrichtungen und
Gewebebanken
Häufig berührte bzw. patientennahe Flächen:
  • desinfizierende Flächenreinigung/
    Flächendesinfektion
  • Fußboden: desinfizierende Flächenreinigung
  • Selten berührte Flächen:
    Reinigung
Arbeitsflächen von aseptischen Tätigkeiten:
  • Desinfektion der sauberen Flächen
  • Beachten von Vorgaben weiterer
    Rechtsbereiche (z. B. Arzneimittel-
    gesetz, Transfusionsgesetz, Apotheken-
    betreiberverordnung)
Bereiche mit besonderem Infektionsrisiko Bereiche, in denen nur für das Person ein Infektionsrisiko besteht
Isolierbereiche 
(räumlich inkl. Vorraum) oder
bettseitige Isolierpflege

Mikrobiologische Laboratorien, Pathologie,
Entsorgung, unreine Bereiche von:

  • Wäscherei
  • Funktionseinheiten, z.B. AEMP

Häufig berührte bzw. patientennahe Flächen:

  • desinfizierende Flächenreinigung/
    Flächendesinfektion
  • Fußböden:
    desinfizierende Flächenreinigung
  • Selten berührte Flächen: Reinigung
  • Nach Entlassung Schlussdesinfektion

Siehe TRBA (z. B. TRBA 250)

 

Bei einer derart granularen Aufteilung ist es wichtig den Überblick zu behalten. Um das zu gewährleisten schreibt der Gesetzgeber gemäß § 22 Sozialgesetzgebung VII (SGB VII) vor, dass Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitenden einen Sicherheitsbeauftragten benötigen. Das gilt selbstverständlich auch für den Gesundheitssektor. Da für diesen aber zusätzliches Fachwissen und Know-How vonnöten sind, benötigen die zuständigen Fachkräfte eine fundierte Aus- und Weiterbildung.

 

Die Wahl des "richtigen" Flächendesinfektionsmittels

Die Auswahl des Flächendesinfektionsmittels sollte auf einer Interessensabwägung, bzw. einer Nutzen-Risiko-Analyse (Wirkspektrum des Desinfektionsmittels und Verträglichkeit von Mensch, Tier, Umwelt und Material) basieren. Das heißt, grundsätzlich müssen die Desinfektionsmittel gegen Bakterien, Viren und Pilze (bakterizid, viruzid, fungizid/levurozid) wirksam sein und gleichzeitig selbst nur ein geringes Gefährdungspotenzial aufweisen.

Bei der Anwendung eines bestimmten Desinfektionsmittels unterteilt die KRINKO Empfehlung für Flächendesinfektionsmittel die Wirkstoffe unter besonderer Berücksichtigung folgender Bewertungskriterien ein:

  • Erregerspezifisches Wirkungsspektrum
  • Einwirkzeit
  • Risiken für Mensch und Natur
  • Materialverträglichkeit
  • Akzeptanz (z. B. bei Geruchsbelästigung oder potenziellen Nebenwirkungen)
  • Angemessene Lagerung
  • Wirtschaftlichkeit

Zusätzlich eignen sich bestimmte Desinfektionsmittel für einzelne Bereiche und spezielle Situationen.

Produktempfehlung

In „QM-Praxis in der Pflege inklusive Hygiene aktuell“ finden Sie eine kurze Aufstellung über mögliche Hygienemaßnahmen und wirksame Desinfektionsmittel sowie praktische Umsetzungshilfen für jede Situation.

Fazit – wie kann die KRINKO Empfehlung Flächenhygiene in der Praxis qualitativ umgesetzt werden?

Zusammen mit der DIN 13063 „Krankenhausreinigung – Anforderungen an die Reinigung und desinfizierende Reinigung in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen“ bietet die KRINKO Empfehlung Flächenhygiene fortan eine Reihe zusätzlicher Hygienekonzepte und Desinfektionsmaßnahmen.

Auch für die praktische Umsetzung liefert die Empfehlung bereits umfassende Ansätze: Neben den institutionellen Voraussetzungen benötigen Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen ausreichend qualifiziertes Reinigungsfachpersonal und standardisierte Reinigungs- und Desinfektionsprozesse.

Einigen Experten halten dieses Maßnahmenpaket aber noch nicht für ausreichend, sondern fordern staatliche Stichproben, um den Qualitätsstandard zu halten. Das könnte zwar in den nächsten Jahren zur Praxis werden, doch bereits jetzt ist die KRINKO Empfehlung Flächenhygiene aber eine dringend notwendige Aktualisierung. Sie sorgt sicherlich für mehr Schutz von Patienten, Mitarbeitenden und Umwelt. Wichtig ist es aber dennoch, durch Qualitätssicherungsmaßnahmen für qualitativ hochwertige Flächenhygiene zu sorgen.

Augsburg, 10.01.2023
Online-Redaktion AKADEMIE HERKERT

Quellen: „QM-Praxis in der Pflege inklusive Hygiene aktuell“, KRINKO Empfehlung Flächendesinfektion, KRINKO-Empfehlung: Reinigung & Desinfektion von Flächen 2022 (prevent-and-protect.de)

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